Nachwuchs im Handwerk

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Der akute Nachwuchsmangel in manchen Gewerken gehört zu den wesentlichen Herausforderungen des Handwerks. Um junge Menschen für einen Ausbildungsberuf zu begeistern und hoffentlich auch längerfristig binden zu können, ist es wichtig Chancen und Voraussetzungen für das Bau- und Ausbauhandwerk zu erkennen. Genau diese beleuchtet die Studie Digitalisierungsbarometer für das Bau- und Ausbauhandwerk.

Online – vor allem mobil

Für die Jugendlichen ist das Internet ein selbstverständlicher Bestandteil
ihrer Lebenswelt. Insofern ist es nicht überraschend, dass 62% der Jugendlichen der Aussage zustimmen: „Mir gefällt es einfach, dass das Internet mehr und mehr Bereiche des Alltags durchdringt, denn das macht mein Leben leichter, komfortabler und gibt mir mehr Möglichkeiten”.

Fast alle sind mindestens einmal täglich im Internet, in der Regel mobil. Als sogenannte „digital natives” schätzen sie ihre Internetkenntnisse überwiegend sehr gut bis gut ein (79 %). Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie damit auch umfangreiche Digitalkompetenzen erworben haben. Hier gibt es oft noch erheblichen Nachholbedarf.

Verschmelzung von analog und digital?

Auch wenn die analoge und digitale Welt mehr und mehr ineinander übergehen und verschmelzen, so herrscht gleichwohl im Erleben der Jugendlichen eine Trennung dieser Bereiche. Der Aussage „Heute kann man kaum noch zwischen Internet und realer Welt unterscheiden” stimmen 19% der Jugendliche zu, während 38% diese Aussage ablehnen. Der Alltag findet also zu einem großen Teil „analog” statt und beispielsweise das reale Treffen mit Freunden ist nicht durch virtuelle Angebote zu ersetzen.

Soziale Medien

Soziale Medien spielen eine wesentliche Rolle im Leben der Jugendlichen und machen es den Jugendlichen leicht, im virtuellen Raum das zu tun, was für sie auch im realen Leben wichtig ist:

• Suche nach Neuigkeiten
• Knüpfen von Kontakten
• Spaß und Unterhaltung
• Lob und Anerkennung

Die sozialen Medien, die bei den Jugendlichen am meisten genutzt werden, sind YouTube und Instagram. Mit deutlichem Abstand folgen Snapchat und TikTok. Dass Jugendliche in ihrer digitalen Welt unter sich sein wollen, zeigt die geringe Nutzung von Facebook und Twitter, die – wie bereits gezeigt – demgegenüber hohe Nutzungswerte bei Erwachsenen zeigen. Insbesondere für Handwerksbetriebe, die auf der Suche nach Nachwuchs sind, ist die Auswahl geeigneter Kanäle, um Jugendliche anzusprechen, ein wesentlicher Aspekt.

Kriterien der Berufswahl

Das wichtigste Kriterium für die Berufswahl sind gute Verdienstmöglichkeiten. Hier sind sich die Jugendlichen unabhängig von Geschlecht, Alter und Bildungsniveau einig. An der zweiten Stelle liegt die Vereinbarkeit des Berufs mit dem Privat- und Familienleben. Weibliche Jugendliche betrachten dieses Kriterium deutlich wichtiger als ihre männlichen Pendants. Auch mit zunehmendem Alter wird dieses Kriterium wichtiger.

Mit deutlichem Abstand auf diese beiden Aspekte folgen die Kriterien einer abwechslungsreichen Tätigkeit sowie der Wunsch nach Selbstverwirklichung. Selbstverwirklichung spielt vor allem bei Jugendlichen mit höherem Bildungsniveau sowie höherem Bildungsniveau der Eltern eine größere Rolle. Darüber hinaus gehören auch Kriterien wie Aufstiegsmöglichkeiten und die Weiterentwicklung einer fachlichen Expertise dazu. Vor allem die beiden letzten Punkte beschreiben ein gewünschtes Arbeitsumfeld, das dynamisch ist und unterschiedlichste Entwicklungsmöglichkeiten bietet.

Weitere Anforderungen mit höherer Relevanz sind eine krisensichere Perspektive sowie der Wunsch nach einer geregelten Arbeitszeit. Hier stehen die Motive der Sicherheit und Berechenbarkeit im Vordergrund. Auffällig bei Jugendlichen, die ein Studium anstreben, ist die höhere Relevanz der technikbezogenen Auswahlkriterien einerseits und die geringste Relevanz bei Tätigkeit, die mit Händen durchzuführen sind.

Attraktivität der Berufe des Baus und Ausbaus aus Sicht der Jugendlichen

Betrachtet man die beruflichen Auswahlkriterien, die eine hohe Bedeutung für die Jugendlichen haben, wie zum Beispiel hohes Ansehen, sehr gutes Einkommen, Umgang mit modernen Technologien etc., passen diese scheinbar weniger zu einem Beruf in den Gewerken des Baus und Ausbaus. Grundsätzliche Barrieren sind aus Sicht der Jugendlichen, dass moderne Technologien eine geringe Rolle im Bau- und Ausbauhandwerk spielen und die erwarteten Verdienstmöglichkeiten eher gering eingeschätzt werden. Lediglich bei der Vereinbarkeit von Privat- und Familienleben mit einer beruflichen Tätigkeit, abwechslungsreiche Tätigkeiten, eine krisensichere Perspektive sowie geregelte Arbeitszeiten werden Übereinstimmungen gesehen.

Bei der direkten Frage nach der persönlichen Attraktivität eines Berufs in den Bau- und Ausbaugewerken liegt das Interesse bei 20% der Jugendlichen. Je höher der angestrebte Bildungsabschluss ist, desto geringer ist die Attraktivität. Auch die weiblichen Jugendlichen zeigen eine geringe Bereitschaft, einen Handwerksberuf des Bau- und Ausbauhandwerks in Betracht zu ziehen.

Bei dem konkreten gewerkspezifischen Interesse schneidet das Elektrohandwerk am besten ab. Insbesondere für männliche Jugendliche ist die Attraktivität dieses Gewerks im Vergleich zu den anderen Gewerken deutlich höher. An zweiter Stelle in punkto Attraktivität folgt das Malerhandwerk. An diesem Handwerksberuf zeigen vor allem die weiblichen Jugendlichen ein stark überdurchschnittliches Interesse. Bei Jugendlichen die das Abitur anstreben liegt die Attraktivität der Handwerksberufe, die mit dem Material Holz zu tun haben, leicht über dem Durchschnitt.

Digitalisierung im Bau- und Ausbauhandwerk

Dass die Digitalisierung nunmehr auch die Gewerke des Baus und Ausbaus erreicht hat, findet die überwiegende Mehrzahl der Jugendlichen positiv. Am wenigsten positiv reagieren auf diese Information Jugendliche mit einfachem Bildungshintergrund (also diejenigen mit der größten Affinität zu einem Handwerksberuf) sowie mit angestrebtem bzw. erreichtem Abitur.

Die Vorstellungen davon, wo Digitalisierung in einem Handwerksbetrieb des Baus und Ausbaus stattfindet, konzentrieren sich zum einen auf die Kommunikation mit Endkunden und Lieferanten sowie zum anderen auf die Verwaltungstätigkeit im Büro. Die interne Kommunikation sowie die konkrete Baustellen- bzw. Werkstattarbeit werden deutlich seltener erwähnt. Auf die Frage, inwieweit die Digitalisierung in einem Handwerksbetrieb des Baus und Ausbaus die Attraktivität erhöht, zeigt sich eine leichte Steigerung des persönlichen Interesses. Die gewerkspezifischen Präferenzen bleiben stabil, also Elektrohandwerk vor dem Malerhandwerk und Schreiner- sowie Tischlereihandwerk.

Fazit

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich die Erwartungshaltung der Jugendlichen, die in dieser Studie erhoben wurde, mit den Ergebnissen
anderer großen Jugendstudien deckt. So wird auch das Bau- und Ausbauhandwerk mit den wesentlichen Wünschen der Jugendlichen konfrontiert, gute Verdienstmöglichkeiten und Aufstiegsoptionen zu erhalten. Mit steigendem Bildungsniveau wächst der Wunsch nach einer abwechslungsreichen Tätigkeit und Selbstverwirklichung.

Interessant ist, dass es in der Befragung der Jugendlichen sichtbare Abweichungen zwischen den berufsbezogenen Erwartungen und der Wahrnehmung umsetzbarer Wünsche in den Berufen des Bau- und Ausbauhandwerks gibt. Insbesondere der schon bestehende Digitalisierungsgrad in den befragten Gewerken wird von den Jugendlichen nicht in den direkten Zusammenhang gebracht. So wird Digitalisierung im Bau- und Ausbauhandwerk weniger mit angewendeten digitalen Technologien, sondern eher mit den Themen Kommunikation und Büroorganisation verbunden.

Die Gewerke des Bau- und Ausbauhandwerks haben gute Chancen junge Menschen für die duale Ausbildung zu begeistern, wenn sie es schaffen:

• die Jugendlichen online mit allen digitalen Möglichkeiten anzusprechen,
• ihnen den gewachsenen Digitalisierungsgrad im entsprechenden Ausbildungsberuf aufzeigen und
• einen transparenten und glaubwürdigen Eindruck ihres handwerklichen Betriebs vermitteln.

Von Vorteil könnte dabei auch, das während der Corona Pandemie gewachsene Vertrauen als krisenfester Arbeitgeber, sein.

Informationen zu Studie

Im Rahmen der Studie des Digitialisierungsbarometers für das Bau- und Ausbauhandwerk wurden 1800 Inhaber*innen von Handwerksbetrieben telefonisch, 1000 Endkunden und 900 Jugendliche online befragt. Eine Kurzfassung der Studie steht hier zum Download bereit.